Stolpersteine von Industrie 4.0 erkennen und vermeiden
Industrie 4.0 bedeutet nicht nur die Einführung neuer Technologien, sondern hat große Auswirkungen auf sämtliche Unternehmensbereiche. Für Betriebe ist es wichtig, mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen und mit passenden Maßnahmen gegenzusteuern. Methoden für dieses Risikomanagement liegen nun im Forschungsprojekt SORISMA – Soziotechnisches Risikomanagement bei der Einführung von Industrie 4.0 vor. Gefördert wurde es von Juli 2019 bis Juni 2022 vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit rund 2,7 Mio. Euro.
Fahrerlose Transporter sorgen für effiziente Lagerlogistik. Aber stören sie nicht die Laufwege der Mitarbeiter:innen? Und welche Auswirkungen haben digitale Prozesse auf Arbeitskultur und Mitarbeiterzufriedenheit? Um Fragen wie diese zu beantworten, greifen Unternehmen ab sofort auf praxiserprobte Methoden zur Risikobewältigung bei der Einführung von Industrie 4.0 zurück. Entwickelt wurden sie vom Fraunhofer IEM, dem Fraunhofer IML, dem Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn, der Unity AG und myview systems in einem dreijährigen Forschungsvorhaben.
„Wichtig zu verstehen ist: Risiken der Industrie 4.0 beschränken sich nicht auf den Bereich der Technik. Stolpersteine bei der erfolgreichen Einführung liegen ebenso in den Bereichen Organisation und Mensch. Das Verständnis für diese Zusammenhänge war das Leitmotiv unserer Arbeit“, betont Daniela Hobscheidt, SORISMA-Projektleiterin vom Fraunhofer IEM.
Industrie 4.0: Nutzen erhöhen, Risiken minimieren
Die Wissenschafter:innen arbeiteten im engen Austausch mit der Industrie. Vier Pilotunternehmen testeten die entwickelten Methoden anhand eigener Industrie-4.0-Projekte. Der Maschinenbauer MIT Moderne Industrietechnik plant beispielsweise, seine Lagerverwaltung künftig digital statt papierbasiert zu organisieren. „Für uns als KMU sind das große Investitionen und damit einhergehend große Veränderungen. Was im Projekt SORISMA deutlich wurde: neue Technologien müssen nicht nur funktionieren, sondern in der Belegschaft auch anerkannt werden. Und der Prozess sollte bereits im Vorfeld gut durchdacht werden. Wir wollen Veränderungen zum Nutzen aller einführen, deshalb ist es wichtig, Risiken vor der Einführung zu durchdenken“, erläutert Karusch Galstjan, Industrial Engineer bei MIT.
Weitere Pilotprojekte waren die agile Organisationsgestaltung bei Beulco, die prädiktive Anlagensteuerung bei Thyssenkrupp und die Einführung eines MES-Systems bei Westaflex. Zusätzlich wurden die Projektergebnisse in insgesamt 13 Industriekreisen diskutiert.
Vier Schritte gegen Industrie-4.0-Risiken
Insbesondere produzierende Unternehmen haben nun Zugriff auf Methoden, mit denen sie Risiken von Industrie 4.0 auf ihre gesamte Wertschöpfungskette analysieren, bewerten, steuern und überwachen können. Interessierte melden sich dazu bei Stefan Gabriel, Wissenschaftler am Fraunhofer IEM.
1. Risiken erkennen: Was bedeuten agile Entwicklungsteams für die Produktentstehung? Was sollte man beim Einführen flexibler Arbeitszeitmodelle beachten? Insgesamt 55 Use Cases aus Bereichen wie Gesundheit, IT-Sicherheit oder Kultur machen mögliche Industrie 4.0-Risiken sichtbar.
2. Risiken bewerten: Wie hoch ein Risiko für ein bestimmtes Unternehmen jeweils ist, hängt immer von der individuellen Situation ab. Ein Bewertungsschema mit den Faktoren Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit hilft zu beurteilen, ob ein Risiko ernst genommen werden sollte.
3. Risiken steuern: Von einer besseren Kundenkommunikation über die Mitarbeiterqualifizierung hin zur Erhöhung der IT-Sicherheit: Unternehmen können aktiv Strategien entwickeln, um ihrer individuellen Risikosituation gegenzusteuern. Dafür entstanden 240 mögliche Gegenmaßnahmen inklusive entsprechender Handlungsoptionen.
4. Risiken überwachen: Wie erkenne ich einen Prozess in Schieflage oder einen gefährdeten Absatz? Unternehmen haben Zugriff auf 53 typische Indikatoren zur Überwachung und Prüfung von Risiken, z.B. die Fluktuationsrate oder die Dauer von Entscheidungsprozessen.