Kiellegung der weltweit ersten emissionsfreien Schnellfähre
Im Juni 2021 war Baubeginn der weltweit ersten vollelektrischen Passagier-Schnellfähre im Rahmen des EU-Projektes TrAM (Transport - Advanced and Modular). Das Schiff Medstraum (Norwegisch »mit Strom« oder »Gleichstrom«) ist der Pilot für einen emissionsfreien und kostengünstigen Personentransport über Wasserwege in Europa. Im Frühjahr 2022 ist die Inbetriebnahme der Medstraum auf der Fjellstrand-Werft an der Westküste Norwegens geplant. Das Fraunhofer IEM entwickelt eine ganzheitliche Methodik, die die maritime Industrie künftig bei Entwurf und Bau modularer Fähren unterstützt.
Durch das Wiederverwenden von Konzepten sollen Konstruktionsstunden um 70 % und Produktionskosten um 25 % gesenkt werden. »Die Wettbewerbsfähigkeit vollelektrischer Hochgeschwindigkeitsfähren wird durch modulares Design und modulare Herstellung deutlich erhöht«, so Dr. Christoph Jürgenhake, Wissenschaftler am Fraunhofer IEM und dortiger Projektleiter, »wir arbeiten mit TrAM also an einem wichtigen Baustein für das Erreichen der europäischen Klimaziele im Mobilitätssektor.« Dafür greift das Fraunhofer IEM auf seine umfassende Expertise aus dem Themenfeld des Model-Based Systems Engineering zurück – und schafft ein gemeinsames Systemverständnis zwischen allen Entwicklungspartnern. Gemeinsam ist ein Systemmodell entstanden, das Anforderungen und Auswirkungen unterschiedlicher Anwendungsfälle abbildet. Während normalerweise für jede Fähre ein individuelles Systemmodell entwickelt und als Grundlage für den Bau genutzt wird, werden im Rahmen des Projekts Anforderungen verschiedener Fährtypen zusammengebracht, in Beziehung zueinander gesetzt und analysiert. So lassen sich Zusammenhänge erkennen und Standardelemente identifizieren. Ein solches Systemmodell ist lösungsneutral und flexibel einsetzbar, wodurch Entwicklungszeit und Herstellungskosten deutlich reduziert werden.
Technische Daten der Fähre
Das Katamaran-Schiff, das rund 150 Passagiere befördern kann, wird 31 Meter lang sein und eine Breite von neun Metern haben. Ausgestattet mit zwei Elektromotoren und einer Batterie mit einer Kapazität von 1,5 MWh und einer Ladeleistung von mehr als 2 MW, wird es die erste vollelektrische und emissionsfreie Hochgeschwindigkeitsfähre der Welt sein, die nach dem International Code of Safety for High-Speed Crafts (HSC-Code) klassifiziert ist. Als Demonstrationsschiff des TrAM-Projekts wird die Fähre im Frühjahr 2022 eine Probestrecke für Passagiere zwischen der Stadt Stavanger und den umliegenden Gemeinden und Inseln aufnehmen, um die Projektergebnisse zu testen und zu validieren. Das Schiff ist für eine Betriebsgeschwindigkeit von 23 Knoten ausgelegt und wurde auf den Namen Medstraum (Norwegisch »mit Strom« oder »Gleichstrom«) getauft.
Das Projekt TrAM
Das TrAM-Projekt wurde von der Industrie-Cluster-Organisation NCE Maritime CleanTech initiiert und wird von Kolumbus, dem unabhängigen Mobilitätsdienstleistungszweig des Bezirksrates Rogaland, koordiniert. »Das übergeordnete Ziel von TrAM ist es, neue modulare Methoden für das Design und die Produktion von emissionsfreien Hochgeschwindigkeitsfähren für den küstennahen Personentransport zu entwickeln, um die Investitionskosten und die Lieferzeiten zu reduzieren«, sagt Projektleiter Mikal Dahle von Kolumbus.
Null-emissions-Ziele im Personenverkehr umsetzen
Der Null-Emissions-Aspekt ist der Hauptbeweggrund für Kolumbus als Teil der laufenden Bemühungen, den ökologischen Fußabdruck der öffentlichen Verkehrsmittel zu reduzieren. Der Bezirksrat hat selbst eine Kofinanzierung von 68 Mio. NOK für das Schiff zugesagt. »Der Bezirksrat Rogaland hat eine Strategie zur drastischen Senkung der Emissionen für alle Fährverbindungen. Das TrAM-Projekt zeigt, was für den öffentlichen Verkehr der Zukunft möglich ist - ohne Lärm oder Emissionen für die Umwelt«, sagt Marianne Chesak, Bürgermeisterin der Provinz Rogaland.
Zum Projektumfang von TrAM gehört auch die Entwicklung von zwei weiteren »Replikator«-Schiffen, eines für den Passagierbetrieb auf der Themse in London und das andere für den Einsatz auf Binnenwasserstraßen in Belgien.
Kollaboratives Design
Die Projektpartner haben hart gearbeitet, um das Design der Medstraum und die hydrodynamische Leistung des Rumpfes zu optimieren. Sowohl der Rumpf als auch die Aufbauten werden aus Aluminium gebaut, welches neben dem geringen Gewicht, das für einen niedrigeren Energieverbrauch sorgt, zusätzlich zur Kreislaufwirtschaft beiträgt, da es leicht zu recyceln ist.
Modularisierter Konstruktionsansatz
Revolutionär ist TrAM auch in Bezug auf die vereinfachte Konstruktion und Fertigung der zukünftigen Schiffe, wobei die Erfahrungen des Fraunhofer IEM mit modularen Entwicklungsmethoden und Produktionstechniken aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie genutzt werden. Das Projekt zielt darauf ab, durch fortschrittliche Modularisierung die Produktionskosten und die Konstruktionsstunden für elektrische Schnellfähren um 25 % bzw. 70 % zu senken, was deren Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöhen wird.
Einfach ausgedrückt ist die Modularisierung ein Konzept für die Entwurfsphase, um die interne Komplexität zu bewältigen und gleichzeitig die externe Vielfalt zu ermöglichen. Die modulare Architektur ermöglicht es, einzelne Module so zu kombinieren, dass spätere Schiffe an spezifische Kundenanforderungen angepasst werden können. Die Wiederverwendung von Modulen ermöglicht zudem eine schnellere Entwicklung und Produktion.
»Verstärkte Automatisierung, effizienterer Materialeinsatz, kürzere Bauzeit und niedrigere Arbeitskosten stellen zusammen ein neues Kapitel im Schiffbau dar und erhöhen gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit aller Beteiligten«, erklärt Dahle.
Wiederbelebung der Wasserstraßen als Transportmedium
Hege Økland, CEO von NCE Maritime CleanTech, betont, dass elektrisch angetriebene Hochgeschwindigkeitsschiffe für urbane Gebiete auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind. »Die optimierte Produktion ist ein sehr wichtiger Faktor, da sie die Attraktivität solcher Schiffe in Bezug auf die Kosten und den ökologischen Fußabdruck erhöht. Neben ihrer Umweltfreundlichkeit unterstützen sie auch die erneute Nutzung der Binnenwasserstraßen in Europa für den Fracht- und Personentransport«, sagt Økland.
Unterstützt durch die EU
Das 2018 gestartete TrAM-Projekt finanziert sich mit 11,7 Mio. Euro aus dem Horizon2020-Rahmenprogramm der Europäischen Union - eine der höchsten Summen, die jemals für ein einzelnes Forschungs- und Entwicklungsprojekt vergeben wurden. Zusätzlich wurde das Projekt auch vom norwegischen Forschungsrat gefördert.
Die Kooperationspartner
Das TrAM-Konsortium besteht aus 13 europäischen Partnern und wird von der Stadt Rogaland (NO) über ihr unabhängiges Mobilitätsdienstleistungsunternehmen Kolumbus (NO) koordiniert, welches auch Eigentümer und Betreiber des Demonstrationsschiffs sein wird. Dieses wird von der Fjellstrand-Werft (NO) konstruiert und gebaut. Das Energiesystem wird von Wärtsilä (NO) und das Antriebssystem von Servogear (NO) geliefert. Die Schiffsmodule werden von Leirvik (NO) geliefert und das Aluminium wird von Hydro Extrusion Norway (NO) bezogen. Das Fraunhofer IEM (D) leitet die Arbeiten zur Anpassung von Modularitätsmodellen aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie an die Bedürfnisse der maritimen Industrie und arbeitet zusätzlich an der Smart-City-Integration. Die University of Strathclyde (UK), die Nationale Technische Universität Athen (GR) und die HSVA (D) sind Konsortiumsmitglieder, die für F&E, Simulation und Tests verantwortlich sind. Die Verbreitungsaktivitäten werden von NCE Maritime CleanTech (NO) durchgeführt und die Eigentümer der Replikator Exemplare sind MBNA Thames Clippers (UK) und De Vlamsee Waterveg NV (B).
Weitere Informationen finden Sie unter https://tramproject.eu/.
Video des Kickoffs https://www.facebook.com/watch/live/?v=225382195770530&ref=watch_permalink&t=1