Ausstellung »Künstliche Intelligenz in Kirche und Gesellschaft«

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Die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren zahlreiche Bereiche unseres Alltags revolutioniert. Von der Industrie über die Medizin bis hin zur Mobilität – KI ist allgegenwärtig und prägt unsere Gesellschaft zunehmend. Doch wie kann die innovative Technologie auch in einem traditionellen Umfeld wie der Kirche Einzug halten? Die City-Pastoral Paderborn, die Pfarrei St. Liborius, das Erzbistum Paderborn, das Paderborner Citymanagement und das Fraunhofer IEM organisieren vom 23.-27. Juli 2023 die Ausstellung „KI in Kirche und Gesellschaft“ in der Gaukirche am Paderborner Domplatz. Eine spannende Kooperation, wie Dechant Benedikt Fischer (Dekanat Paderborn) und Dr. Harald Anacker (Fraunhofer IEM) im Interview betonen.

© Fraunhofer IEM
Eine spannende Kooperation zwischen Kirche und Wissenschaft (v.l.): Dechant Benedikt Fischer (Dekanat Paderborn) und Dr. Harald Anacker (Fraunhofer IEM)

Herr Fischer, Sie kamen mit der Idee einer KI-Ausstellung zu Libori auf das Fraunhofer IEM zu? Was ist die Motivation dahinter?

Fischer: Künstliche Intelligenz ist ein Thema in allen Medien. Es erscheint kaum eine Tageszeitung, in der wir keinen Artikel darüber finden. Menschen beschäftigen sich abstrakt mit der Thematik oder direkt als Anwender:innen von ChatGPT. Themen, die die Gesellschaft so intensiv bewegen, gehören auch im kirchlichen Raum diskutiert. Zahlreiche Anwendungsgebiete von KI sind denkbar und direkt umsetzbar in Bereichen, bei denen in hohem Maße ethische Kriterien eine wichtige Rolle spielen. Die schnelle Entwicklung dieser Technologie muss deshalb von einer kritischen Debatte begleitet werden, die die Fragen von Chancen und Risiken gut ausloten kann.

Der Ursprungsgedanke für diese Ausstellung war zunächst viel oberflächlicher. Durch einen Artikel einer christlichen Wochenzeitung war bei mir die Neugier geweckt, wie KI wohl Motive der christlichen Kunst, etwa Kreuzwegstationen, oder auch bibeltheologische Themen, wie „Himmel“ oder „Schöpfung“ bildlich darstellen würde. Im Prozess der Entwicklung der Ausstellung zusammen mit Fraunhofer erweiterte sich der Blickwinkel in die Alltags- und Arbeitswelt hinein.

Herr Anacker, das Fraunhofer IEM ist Technologiepartner der Ausstellung. Mit Künstlicher Intelligenz kennen Sie sich gut aus – für gewöhnlich sind Ihre Kunden aber Industrieunternehmen, die Produkte und Prozesse optimieren möchten. Warum beteiligt sich das Fraunhofer IEM an der Ausstellung?

Anacker: Natürlich untersuchen wir als anwendungsorientiertes Forschungsinstitut primär die Möglichkeiten von Technologien wie z.B. KI für Industrieunternehmen und schaffen Lösungen für konkrete Problemstellungen. Daneben haben wir aber auch stets einen weiteren Auftrag, nämlich der aktive Wissenstransfer in Politik und Gesellschaft sowie die Mitgestaltung gesellschaftlicher Debatten. Die Notwendigkeit einer Debatte ist meiner Meinung nach mit Blick auf die Entwicklungsgeschwindigkeit und aktuellen Einsatzmöglichkeiten von KI unbedingt erforderlich.

Dank der Kirche haben wir vom Fraunhofer IEM mit der Ausstellung die Möglichkeit erhalten, Impulse und Denkanstöße zu geben, um sich der Technologie KI zu nähern und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Gewiss ist die Anwendung von KI mit kirchlichen Inhalten unter Regie der Kirchenvertrer:innen für uns einzigartig, nicht so aber die damit verbundene Aufklärungsarbeit, die wir für die Industrie z.B. im „Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus“ schon länger betreiben.

Herr Fischer, welche Reaktionen auf die Ausstellung erwarten Sie? Könnte es Menschen geben, für die damit eine Grenze überschritten wird? Was sagen Sie denen?

Fischer: Die Ausstellung wird allein dadurch provozieren, weil sie stattfindet. Nicht wenige Christen möchten eine katholische Kirche einzig für die Feier von Gottesdiensten verwendet wissen. Diese Ausstellung verbindet moderne Technologie mit der Geschichte einer Kirche, in der seit über 800 Jahren gebetet wird. Das wird eine Resonanz erzeugen. Wenn wir als Kirche in der Gesellschaft relevant bleiben wollen, benötigen wir genau solche Resonanzräume, damit eine fruchtbare Auseinandersetzung gelingen kann. Viel häufiger wünsche ich mir die Einladung von innovativer gesellschaftlicher Entwicklung in den traditionellen Raum des Kirchlichen. Wir können viel voneinander lernen, ohne dass wir das Wesentliche verlieren.

Sicher wird es in der Ausstellung Darstellungen geben, die Menschen irritieren, weil Jesus Christus in ganz anderen Kontexten erscheint als gewohnt. Nun hat jede Zeit der Geschichte ihre Kontexte für biblische Darstellungen gewählt. Wir wagen es nun durch den Einsatz von Technologie. Irritationen führen hoffentlich zum Gespräch und zur Diskussion. Wenn das gelingt, ist das Ziel der Ausstellung erreicht.

Herr Anacker, Sie haben sich in den letzten Wochen intensiv mit den Kirchenvertreter:innen ausgetauscht. Was ist Ihre Einschätzung: Wo kann KI gewinnbringend und kurzfristig eingesetzt werden?

Anacker: Unsere Motivation bei diesem Vorhaben liegt weniger in der konkreten Integration von KI in kirchliche Abläufe als vielmehr in der Aufklärungsarbeit und dem Aufzeigen von technischen Möglichkeiten -und zwar nicht erst zukünftig, sondern schon heute. Ich erinnere mich gern an die Entstehung der Inhalte für die Ausstellung zurück, als nach einer kurzen Live-Demonstration der technischen Werkzeuge zahlreiche Ideen für Anwendungsfälle entstanden sind. Prägend für mich war, wie schnell wir dabei auf Beispiele gestoßen sind, die ethische Fragestellungen mit sich bringen – so z.B. ein Seelsorgegespräch mit einer KI, die sich nahezu so anhört wie die vertraute Stimme von Herrn Fischer. Wenn es uns gelingt, die inspirierenden Diskussionen in die Liboriwoche zu transportieren und mit den Bürger:innen fortzuführen, dann haben wir viel erreicht. Vielleicht fallen Herrn Fischer ja 1-2 Beispiele ein, was seiner Meinung nach konkret im Kirchenalltag denkbar wäre.

Fischer: Im kirchlichen Bereich sehe ich derzeit keinen seelsorglichen Einsatz von KI. Seelsorge muss menschlich in jeder Hinsicht bleiben. Für die Recherche von inhaltlichen Fragestellungen zur Vorbereitung von Vorträgen, Predigten oder Artikeln kann KI in der Tat hilfreich sein, wenn es eine finale Bearbeitung und Korrektur durch einen Menschen gibt. In der Verwaltung könnten KI-generierte Prozesse vermutlich im Rechnungswesen, in Archivfragen, auch in der Bearbeitung von Personaldaten eingesetzt werden, wenn es datenschutzrechtliche Regelungen gibt. Interessant fände ich den Einsatz von KI bei der Planung von neuen Gebäuden für kirchliche Zwecke unter den Aspekten von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.